Der schönste Geburtstag in 45 Jahren


Überwältigt von der großen Spendenbereitschaft in unserem Familien-, Freundes- und Kollegenkreis steigen wir mit knapp 6000 Euro, den beim Sponsorenlauf an der Bolanden-Grundschule in Wiesental von den Schülern erlaufenen 2.400 Euro und vielen Spielsachen und Kleidung in den Flieger über Istanbul nach Kathmandu und freuen uns auf die kommenden zwei Wochen. Für Nicole ist es die erste Nepal-Reise (und sicher nicht die letzte). Nach unserer Ankunft in Kathmandu übergeben wir schon am ersten Abend die erste Geldspende. Nishchal von Patron Nepal (https://www.patronnepal.org.np) besucht uns zum Abendessen und freut sich sehr darüber. Auch die gespendeten Brillen geben wir ihm, er nimmt sie in sein „eye camp“ im Süden Nepals mit.

 

Am nächsten Tag besuchen wir Pashupatinath, den wichtigsten Hindutempel in Nepal und danach die aktuelle, kleine Produktionsstätte der Filzprodukte des Women Empowerment Projektes. Dann fahren wir mit Bhagwan etwas raus aus der Stadt um das Gelände zu besichtigen, auf dem das Woman Empowerment und Child Care Center errichtet wird. Am Abend sind wir herzlich bei Bhagwan zum Essen eingeladen, wo wir weitere Geldspenden übergeben. Jagat, unser Guide (der schon Steffen und mich auf der Manaslu-Runde begleitet hat), kommt dazu und auch ihm überreichen wir Spenden. Er hat in seinem Leben schon einige sehr heftige Schicksalsschläge erlitten und ich freue mich, ihm etwas Gutes tun zu können.

 

Nach zwei Übernachtungen in der Hauptstadt Nepals machen wir uns gemeinsam mit Hilde, einer Voluntärin aus Heilbronn, und Jagat auf den Weg in die Gorkha-Region, wo die beiden Bergdörfer liegen, die wir mit unseren Geld- und Sachspenden und dem von den Schülern der Bolanden-Grundschule in Wiesental erlaufenen Geld unterstützen. Wegen des Regens verzögert sich unsere Anreise nach Swaragaun und wir kommen erst spät am Abend an. Noch ein leckeres Dal Bhat und dann ins Bett – mit Vorfreude auf meinen Geburtstag am nächsten Tag und noch nichtsahnend was für eine Riesennummer uns erwartet.

 

9. Januar 2020: Happy Birthday Tina! Am Vormittag besuchen wir das Bottlehouse, eine Unterkunft für Waisenkinder, und übergeben Sachspenden. Zur Begrüßung werden uns wunderschöne Blumenkränze umgehängt. Danach besichtigen wir die Dorfschule, an der auch blinde Lehrer unterrichten. Und es gibt noch mehr Blumenkränze. Auf dem Weg zu unserer Unterkunft im Heim für Blinde und Waisenkinder sammeln wir noch ein paar Kinder ein und übergeben weitere Sachspenden. Die nepalesischen Kinder sind alle liebenswert. Sehr besonders sind aber die blinden Kinder. Mit Worten nicht zu beschreiben. Eine große Welle Wärme und Herzlichkeit schwappt uns entgegen und ich bin sehr glücklich, meinen Geburtstag auf diese außergewöhnliche Weise zu erleben.

 

Aber das war’s ja noch lange nicht. Am Abend kommen Musiker mit traditionellen Instrumenten, die nur bei sehr besonderen Gelegenheiten gespielt werden. Jagat sagt: jetzt musst du tanzen und danach kommt dein Geburtstagskuchen. Mein was kommt?! Und tatsächlich kommen mitten in diesem kleinen, abgelegenen Bergdorf zwei wunderschöne, sehr leckere Kuchen, sogar mit Kerzen drauf. Der Dorfälteste erweist uns die große Ehre und segnet uns mit der Tika. Alle singen Happy Birthday und ich puste die Kerzen aus. Ich bin total überwältigt. Ich erlebe diese überdurchschnittliche nepalesische Gastfreundschaft nun zum vierten Mal und bin auf’s Neue sehr gerührt und verliebe mich noch mehr in diese tollen Menschen. Ich verteile die Kuchenstückchen und wer mir noch nicht gratuliert hat, schmiert mir zu den Glückwünschen noch ein bisschen Kuchencreme ins Gesicht. Zur Feier des Tages haben wir 10 Kilo Hühnchen gekauft, die es dann für alle zum Abendessen gibt (normalerweise gibt es maximal einmal pro Woche Fleisch für die Kinder). Und zum Abschluss sitzen wir am Lagerfeuer, wärmen uns auf und lauschen nepalesischen Gitarrensongs. Ich könnte nicht glücklicher sein.

 

Am nächsten Tag heißt es „jam jam“ (auf geht’s) und wir laufen nach Bhokteni. Natürlich nicht, ohne von Parvati, der Hausmutter im Heim, die Tika zu erhalten. Der Abschied fällt uns schwer. Zwei Nächte waren wir nur hier, aber was wir empfinden, hat auch überhaupt nichts mit Zeit zu tun. Nach vier Stunden „Nepali Flat“ und Nicole’s Erkenntnis, dass Wandern nicht mehr ihr Hobby werden wird, kommen wir in Bhokteni an und werden erneut herzlich mit einem Dal Bhat empfangen. Calimere und Som (der Chairman im Dorf) kenne ich schon und habe mich sehr auf sie gefreut. Wir kaufen noch Kekse für die Kinder, denn sie haben schon längst Schule aus und warten auf uns. Wieder werden wir mit Segnungen begrüßt, übergeben Sachspenden und schauen uns an, was seit meinem letzten Besuch in 2018 von unseren Spendengeldern gebaut wurde. Danach sitzen wir alle gemütlich vor Calimere’s Haus, trinken Tee mit Raksi und unterhalten uns. Auch heute gibt es zur Feier des Tages ein frisches Hühnchen, von dem wie immer alles verwertet wird. Und danach wird ein großer Lautsprecher angeschleppt und das Dorf damit beschallt. Das schönste was Füße tun können ist tanzen! Und so tanzen wir bis in die Nacht hinein und ich falle wieder glücklich ins Bett (Anmerkung an der Stelle: eine Wärmflasche kann die Schlafqualität um 100 % verbessern!).

 

Am nächsten Tag verabschieden wir uns – auch wieder sehr wehmütig – von Bhokteni. Auch Hilde ist ein bisschen traurig; da hat sie aber auch was erlebt mit uns. Sie bleibt in Bhokteni und wir fahren nach Pokhara. In einem Jeep, der – um es mit Nicole’s Worten zu sagen – ein wirtschaftlicher Totalschaden ist. Nach einer Reparatur, während der wir unseren geliebten Masalatee trinken und eine Nudelsuppe essen, gelangen wir aber sicher ans Ziel. Das Wetter ist nicht so toll und die mir bekannte Sicht auf die Achttausender gibt’s heute nicht. Wir bummeln noch ein bisschen durch die schöne Stadt und lassen den Abend mit einem Dal Bhat ausklingen.

 

Am nächsten Morgen geht es weiter, zuerst mit dem Auto und dann zu Fuß. Natur-Treppensteigen auf dem Wanderweg ist angesagt, auch nicht Nicole’s Lieblingsdisziplin. Aber die Anstrengung lohnt sich. Wir kommen im Australian Camp an und trauen unseren Augen kaum. Was für ein Panorama! Der Macchapucchre (oder leichter zu merken: Fishtail), Annapurna South, Annapurna 2 und 3 sind die Stars am Horizont. Dazu ein Masalatee in der Sonne – unbeschreiblich. Wir laufen weiter durch einen wunderschönen Wald und kommen am Tagesziel in der Ecolodge in Dhampus an. Der Ausblick ist ein Traum! Wir essen auf der Terrasse und lassen den Tag gemütlich ausklingen.

 

Neuer Tag, neues Tagesziel. Heute fahren wir nach Chitwan, dem Nationalpark. Wildlife steht auf dem Programm. Wir kommen am Nachmittag an und Binod, bei dem wir wohnen, lädt uns zu einem gemütlichen Spaziergang am Fluss ein. Noch keine halbe Stunde sind wir unterwegs und sichten schon ein Nashorn. Was für ein Glück! Abends besuchen wir eine Tanzaufführung des Tharu-Volkes. Die Stimmung, die die Nepalesen im Saal verbreiten, ist der Hammer!

 

Den nächsten Tag starten wir mit einer mystischen Bootsfahrt. Der Nebel liegt noch über dem Land und lässt die Konturen der Landschaft verschwimmen. Trotzdem haben wir wieder Glück und sichten Krokodile am Ufer. Dann machen wir uns zum Jungle Walk auf. Wir sehen Fußspuren von Ronaldo, einem riesigen Elefanten und sind ganz froh, dass wir ihm und anderen großen wilden Tieren nicht begegnen. Und der Wald ist auch so, ohne die großen Wildtiere, sehr schön. Wir sehen uns die Elefanten in der Zuchtstation an. Sie sind die meiste Zeit im Park unterwegs, auch teilweise um mit den Mahouts zusammen Futter einzusammeln oder verletzte Tiere aufzuspüren. Für zwei Stunden am Tag werden sie angekettet. Der Anblick ist für uns nicht leicht zu ertragen, auch wenn wir wissen, dass es sich hier um eine Einrichtung der Regierung zum Erhalt der Tiere handelt. Leider gibt es im Park auch private Veranstalter, die immer noch Elefantenreiten anbieten. Eine traurige Wahrheit. Wir erfahren, dass allerdings die meisten westlichen Touristen davon absehen, da sie mittlerweile ausreichend aufgeklärt sind.

 

Nach dem Mittagessen gibt’s die Safari. Wir sehen Rehe, Hirsche, Eisvögel, Pfaue, einen Kormoran, ein Wildschwein und besuchen die Krokodilaufzuchtfarm. Das Highlight gibt’s auf dem Rückweg, wo doch tatsächlich noch zwei Nilpferde hinter unserem Jeep den Weg überqueren. Was für ein Erlebnis.

 

Zum Abendessen besuchen wir das Waisenhaus in Chitwan, Binod’s Mutter verwaltet es. Wir übergeben auch hier Geld- und Sachspenden und freuen uns mit den Kindern. Zur Feier des Tages gibt es sticky rice, köstliches Gemüse und wieder sehr leckeres Hähnchen. Ein weiterer schöner Abend geht zu Ende.

 

Am nächsten Morgen fahren wir zurück nach Kathmandu. Swayambunath, der Affentempel liegt auf dem Weg zu unserer Unterkunft und wird somit natürlich besichtigt. Doch zuvor müssen wir uns von Jagat verabschieden. Ich freue mich sehr, dass ich ihn bald wieder sehe.

 

Am Nachmittag kommen wir bei Prakriti und Gokul an, wo wir die letzten Spenden für Shakti Milan (http://www.shakti-milan.com/de/) und Access (https://www.accessnepal.org) übergeben. Wir besichtigen die neue Fertigungsstätte von Shakti Milan und das Transithome von Access, wo die aus der Sklaverei geretteten Kinder wohnen, bis sie zu ihren Familien zurück gebracht werden. Abends bekommen wir frische, superleckere Momos (ähnlich wie unsere Maultäschle).

 

Nach einem tollen Frühstück bei den beiden zeige ich Nicole die schöne Altstadt Kathmandus. Wir schlendern durch die engen Gässchen und bestaunen das bunte Treiben. Am Nachmittag fahren wir mit Bhagwan nach Bhaktapur, leider schon unsere letzten Station auf der Reise. Es gibt ein schönes Abschiedsessen; Bhagwan werden wir bis zu unserer Abreise nicht mehr sehen. Ich bin einfach nur froh zu wissen, dass ich Ende März wieder komme.

 

Den letzten Tag in Nepal verbringen wir mit Nishchal, der in Bhaktapur wohnt und uns durch die schöne Stadt führt. Es regnet in Strömen, was der Schönheit der Architektur aber keinen Abbruch tut. Die alte Königsstadt wurde durch das Erdbeben 2015 schwer beschädigt und kann nur langsam wieder aufgebaut werden, da heutzutage kaum noch jemand das Handwerk zum Bau solcher Gebäude beherrscht.

 

Am nächsten Morgen heißt es Bye Bye Nepal. Im Gepäck mal wieder ein paar neue Perspektiven.


Und ich weiß, ein Teil von mir bleibt hier, in meiner zweiten Heimat. Danke Nepal.


Und Danke Euch allen für Eure Geld- und Sachspenden und Eure Unterstützung!