Wie meine Leidenschaft für Nepal begann


Ostersamstag 2015: es geht los. Nach einem Zwischenstopp in Delhi lande ich in Nepal's Hauptstadt Kathmandu und freue mich auf eine 6-wöchige Auszeit. Geplant ist Freiwilligenarbeit in einem Tierheim und ein Aufenthalt in einem buddhistischen Kloster.

 

Kathmandu - love at first sight. Bunt/dreckig, laut/besinnlich, traditionell/modern, lustig/verwirrend...eine quirlige Stadt deren Umrisse im Straßenstaub und dicken Rauchschwaden von Räucherstäbchen verschwimmen. Die Liste der Eindrücke und Gegensätze ist lang. Viele Worte fallen mir ein wenn ich diese Stadt beschreiben soll, aber eigentlich geht's darum wie ich mich fühle wenn ich dort bin. Anders als an sämtlichen anderen Orten, die ich bis dahin besucht habe.

 

Nach einem Besuch der wichtigsten Sehenswürdigkeiten Kathmandus geht es los mit der Freiwilligenarbeit. Morgens fahre ich mit dem local bus (Erlebnis!) in den Norden der Stadt wo ich in einem Tierheim arbeite. Hauptsächlich Hunde gibt es dort. Die Hunde werden in den verschiedenen Stadtteilen eingefangen, sterilisiert, geimpft, bei eventuellen Krankheiten oder Verletzungen behandelt und zurück in ihr Viertel gebracht. In Nepal wohnen die Hunde nicht wie bei uns im Haus sondern laufen frei auf der Straße herum. Trotzdem gehören sie oft jemandem, der sich um sie kümmert. Die meisten sind aber Straßenhunde und um deren unkontrollierte Vermehrung zu vermeiden gibt es dieses Tierheim. Dass es die Hunde nicht gewohnt sind, an einer Leine zu laufen, entpuppt sich oft als Herausforderung bei der Freiwilligenarbeit, denn Gassi gehen gehört zu meinen Aufgaben. Was entspannt klingt ist richtig Arbeit und oft stehe ich gefühlte Ewigkeiten in der Pampa Nepals mit einem angeleinten Hund herum, weil der auf einmal keine Lust mehr hat, auch nur einen weiteren Schritt an der Leine zu laufen.

 

Ansonsten helfe ich beim Füttern der Tiere, reinige die Zwinger, wasche Wäsche, spüle Geschirr, untersuche die Tiere nach Zecken oder verbringe einfach Zeit mit ihnen. Viele Hunde sind verängstigt oder verstört und eines Tages werde ich von einer kranken Hündin gebissen. Ein Hoch auf die Tollwutimpfung! Der Besuch im Krankenhaus in Kathmandu ist wie eine kleine Zeitreise, besonders was die Inneneinrichtung angeht. Die Freundlichkeit und Gastfreundschaft gibt es hier aber natürlich zuverlässig nepal-typisch auch.

 

Und so arbeite ich von sonntags bis freitags (in Nepal ist der Samstag der Ruhetag) für knapp drei Wochen. Die Abende und Samstage verbringe ich damit, Neues zu entdecken oder an einem meiner Lieblingsorte zu verweilen. Dazu gehört Pashupatinath. Der Hindu-Tempel an dessen Fluss die Leichen verbrannt werden. Entgegen meiner Annahmen, dass dies ein für mich befremdlicher Ort sein könnte, stelle ich fest, dass die Atmosphäre dort eine sehr feine ist und in der besonderen Stimmung fühle ich mich irgendwie wohl.

 

Vom Hinduismus zum Buddhismus: Ein weiterer Lieblingsort ist Boudhanath. Der größte Stupa der Welt. Gerade steckte man noch mitten im Verkehrschaos und schon findet man sich beim rituellen Umrunden des beeindruckenden Bauwerks wieder. Immer linksrum gehen. Wer es ganz genau nimmt, umrundet einen Tempel bzw. einen Stupa und letztlich sogar den Berg Kailash, indem er sich immer wieder zu Boden wirft und auf diese Weise den gesamten Weg mit seinem Körper ausmisst.  Mir reicht es ohne Ausmessen.

 

Dann wird Silvester gefeiert. Nach Vikram Sambat, dem offiziellen Kalender Nepals, schreiben wir jetzt das Jahr 2072.

 

Am 25. April kurz vor 12 Uhr mittags bebt die Erde mit einer Stärke von 7,8 auf der Richterskala und verursacht eine landesweite Zerstörung.

 

In Kathmandu steht die Zeit still. Kein Handyempfang mehr, der Verkehr ist lahmgelegt, verzweifelte und teilweise verletzte Menschen irren durch die Straßen und versuchen, irgendwie ihre Angehörigen zu finden.

 

Jedes der unzähligen Nachbeben sorgt für Angst um neue Zerstörung. Die Tierwelt reagiert ebenfalls. Bei jeder Erschütterung bellen die Hunde und die Vögel fliegen in Sekundenschnelle in Scharen Richtung Himmel.

 

In Pashupati hört es nicht auf zu rauchen - viele Leichen müssen verbrannt werden.

 

Eine Erfahrung, die ich vermutlich nie vergessen werde. Das Erdbeben gehört ab sofort zu mir.

 

Glücklicherweise und mit Hilfe der Nepalesen überstehe ich alles unversehrt und reise vorzeitig wieder nach Hause. Ins buddhistische Kloster schaffe ich es bei diesem Aufenthalt nicht mehr.